Geschichte

Eine 50-jährige Geschichte seit der Unabhängigkeit ohne Staatsstreiche und einem Mindestmaß an demokratischen Verhältnissen machen das Land zu einem der stabilsten des Kontinents.

Tag der Unabhängigkeitv4. April 1960

Staatsoberhaupt Macky Sall

Politisches System

Präsidialrepublik

Demokratie Status-Index (BTI) Rang 36 von 137 (2020)

Korruptionsindex (CPI) Rang 66 von 180 (2019)

Ibrahim Index of African Governance Rang 10 von 54 (2018)

Geschichte

Vorkoloniale Geschichte

Die frühesten Siedlungsspuren auf dem heutigen senegalesischen Staatsgebiet stammen aus dem Paläolithikum und Neolithikum. Um 500 n. Chr. wanderten von Nordosten her die zu den Sudanidenvölkern gehörenden Wolof und Serer in das Gebiet des heutigen Senegal ein und im 9. Jahrhundert ließen sich Toucouleur im Tal des Senegalflusses nieder. Das Reich von Ghana dehnte  um 900 seinen Herrschaftsbereich vom oberen Niger bis in das Mündungsgebiet des Senegal aus. Ab dem 11. Jahrhundert setzte sein Niedergang ein, und Angriffe von Berbervölkern, darunter die Almoraviden, die den Islam nach Senegal brachten, schwächten das Reich. Während des 13. Jahrhunderts dehnte das Malinka-Reich Mali seine Herrschaftssphäre auf den heutigen Senegal aus. Erst im 14. und 15. Jahrhundert erlangten autochthone Reiche die Unabhängigkeit, das wichtigste unter ihnen war das Wolofreich Jolof (1200-1550).

Kolonialzeit

1444 erreichten die Portugiesen die Insel Gorée (gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO) und errichteten in der Folge weitere Handelsstützpunkte die Küste entlang. Ihnen folgten ab dem 16. Jahrhundert Niederländer, Franzosen und Briten. Der transatlantische Sklavenhandel nahm im 16. Jahrhundert von den westafrikanischen Küsten für die nächsten 200 Jahre seinen Ausgang. Auch die einheimischen Reiche spielten dabei als Lieferanten von „Menschenmaterial“ aus dem Hinterland eine traurige Rolle – eine historische Verantwortung, die von afrikanischen Historikern früher gerne ausgeklammert wurde (siehe hierzu das Interview mit dem bekannten senegalesischen Historiker Ibrahima Thioub in der französischen kommunistischen Tageszeitung Humanité).

Während des 17. und 18. Jahrhunderts versuchten sich Portugiesen, Holländer, Engländer und Franzosen wechselseitig entlang der Küste Machtsphären zu sichern, bis sich gegen Mitte des 19. Jahrhunderts Frankreich endgültig durchgesetzt hatte. Ab 1854 befriedete und eroberte der Gouverneur Lous Faidherbe weite Teile des heutigen Senegals und bekämpfte die mächtigen Resistancebewegungen des Toucouleurherrschers El Hadji Omar Tall und des letzten Königs (Damel) Lat Dior des Wolofreichs Cayor und drang dabei bis in die Casamance vor.

In Folge der Berliner Konferenz wird 1895 die koloniale Föderation AOF- Afrique Occidentale Française gegründet; das inzwischen zum Weltkulturerbe der UNESCO gehörende St. Louis wird ihre Hauptstadt.

1916 bereits erhielten die Bewohner der vier Küstenstädte Dakar, Gorée, Rufisque und St. Louis französische Bürgerrechte, während die übrigen Menschen rechtlose koloniale Untertanen (sujets) blieben.

Im 19. Jahrhundert wurde von der französischen Kolonialmacht im Gebiet des sog. Erdnussbeckens der Erdnussanbau eingeführt, tatkräftig unterstützt von muslimischen Marabouts, die sich dadurch Einfluss und Wohlstand sicherten. Die Verwaltungsform der AOF war 1902 abgeschlossen und die französische Kolonialmacht ließ Bahnlinien und den Dakarer Hafen bauen. 

1914 zog Blaise Diagne als  erster  afrikanischstämmiger Abgeordneter (und aufgrund seiner Geburt in einer der 4 Kommunen, Gorée, französischer Staatsbürger) in die französische Nationalversammlung und wurde durchgehend bis zu seinem Tod 1934 wiedergewählt.

Nächster Abgeordneter der französischen Nationalversammlung, der aus dem Senegal kam, war Lamine Guèye, Mitglied der SFIO, der französischen Sektion der Arbeiter-Internationalen, welcher 1946, als Senegal Mitglied der Französischen Union wurde, Bürgerrechte für alle Bewohner, unabhängig von Hautfarbe und Herkunft, durchsetzte.

Wie bereits während des 1. Weltkrieges kämpften senegalesische Soldaten, die „Tirailleurs Sénégalais“, auch während des 2. Weltkrieges an der Seite der französischen Truppen.

Umso größer war das Entsetzen im Senegal, als französische   Soldaten im Dezember 1944 im Camp de Thiaroye auf heimgekehrte «Tirailleurs», die ihren ausstehenden Sold forderten, das Feuer eröffneten und mehr als 35 Tote hinterließen. Solche Ereignisse verstärkten noch weiter die erwachenden Unabhängigkeitsbestrebungen der französischen Kolonien, denen Präsident de Gaulle mit dem neuen Konstrukt der Union Française nicht viel entgegenzusetzen hatte.

In der Nachkriegszeit wurde der senegalesische Dichter und Mitbegründer der Negritudebewegung Léopold Sédar Senghor in seinem Heimatland politisch aktiv. 1948 gründete er den Bloc Démocratique Sénégalais. Während sich sein Konkurrent Lamine Guèye vor allem auf das urbane Elektorat stützte, konzentrierte sich der Katholik Senghor auf die Landbevölkerung und gewann die muslimischen Marabouts als Alliierte, die von da an stets eine wichtige Rolle hinter den Kulissen der senegalesischen Politik spielen sollten.

Gleichzeitig wurden soziale Bewegungen immer wichtiger: 1946 gab es einen elftägigen Generalstreik, 1947/1948 einen monatelangen Streik der afrikanischen Eisenbahner, die eine Gleichbehandlung mit ihren französischen Kollegen erreichen wollten (vom großen senegalesischen Dichter Ousmane Sembène in seinem Roman „Gottes Holzstücke“ verewigt).

In zwei Stufen entließ Frankreich das Land schließlich in die Unabhängigkeit. 1958 erhielt es eine weitgehende Autonomie innerhalb der „Französischen Gemeinschaft“, 1960 gewann die Vereinigung von Mali und Senegal als Mali Föderation die Unabhängigkeit von Frankreich, zerbrach jedoch bereits nach wenigen Monaten.

Der unabhängige Senegal

Unter der Führung von Léopold Sédar Senghor entstand eine präsidiale Republik, die auf der Einparteienherrschaft der Union Progressiste Sénégalaise (UPS) beruhte (so der neue Name der inzwischen mit der Bewegung von Lamine Guèye verschmolzenen Senghor-Partei).

Africa… States of Independence – Senegal (Englisch, 22:52 min)

Video-Beitrag von Al Jazeera zur Lage des Landes anlässlich der 50jährigen Unabhängigkeit des Landes

Nach einem (historisch umstrittenen) Putschversuch des weiter links stehenden Ministerpräsidenten Mamadou Dia erhielt Senghor durch eine Verfassungsänderung 1963 erweiterte Machtbefugnisse   und übernahm auch den Posten des Ministerpräsidenten (bis 1970). Auf Massendemonstrationen gegen sein autoritäres Regime reagierte er in den 1970er Jahren mit einer schrittweisen Demokratisierung. 1976 verkündete Senghor die Einführung eines Dreiparteiensystems: der sozialistischen Partei, zu der sich die Regierungspartei mittlerweile umbenannt hatte, einer marxistisch-leninistischen Partei (PAI) und der liberalen Partei Parti Démocratique Sénégalais (PDS). Bei den ersten freien Wahlen 1978 errang die Regierungspartei über 80 % der Stimmen und die PDS zog als Opposition ins Parlament ein.

1980 erklärte Senghor seinen Rücktritt, an seine Stelle trat verfassungsmäßig sein Ministerpräsident und enger Vertrauter Abdou Diouf. Abdou Diouf blieb für die nächsten 20 Jahre Präsident des Senegals. 1981 fiel die Zulassungsbeschränkung für politische Parteien und bei den Wahlen 1983 traten bereits 14 Parteien an. Heute gibt es um die 150, von denen die meisten allerdings bedeutungslos sind.

Unter Dioufs Präsidentschaft akzentuierte sich die schwere Krise, die bereits in den 70er Jahren begonnen hatte, weiter: Verfall der Erdnusspreise auf dem Weltmarkt, wiederholte Dürreperioden und Missernten in den 70er und 80er Jahren, Strukturanpassungsprogramme der Bretton Woods Institutionen, Streiks und Studentenproteste, die Abwertung des Franc CFA 1994 – die Unzufriedenheit der Bevölkerung wurde immer größer.

In den 80er Jahren begann der bewaffnete Casamancekonflikt, der bis heute andauert. 1989 kam es zu blutigen Ausschreitungen und Progromen zwischen Mauretaniern und Senegalesen und bis heute leben Vertriebene in Flüchtlingslagern. Von 1982 – 1989 schließlich hatten sich der Senegal und Gambia zur Konföderation Senegambia zusammengeschlossen, die jedoch schon nach wenigen Jahren zerbrach.

Bei der Präsidentschaftswahl im Februar/März 2000 gewann schließlich der langjährige Oppositionelle und Gründer der PDS Abdoulaye Wade im 2. Wahldurchgang mit Unterstützung der oppositionellen Koalition SOPI («Veränderung» auf Wolof) gegen Abdou Diouf. Der amtierende Präsident räumte noch am selben Tag seine Niederlage ein und es kam zu einem vorbildhaften demokratischen Machtwechsel nach 40 Jahren sozialistischer Alleinherrschaft.

Wade wurde im Jahr 2007 mit absoluter Mehrheit wieder gewählt, doch während seiner zweiten Amtszeit mehrte sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit seiner autokratischen Amtsführung, v.a. aber den schweren Lebensbedingungen, steigenden Lebenshaltungskosten und der hohen Arbeitslosigkeit. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, bei denen der Antritt Wades höchst umstritten war, da er laut Verfassung nach zwei Amtszeiten eigentlich nicht mehr hätte antreten dürfen, der Oberste Gerichtshof allerdings mittels eines juristischen Schlupflochs seine Kandidatur validiert hatte, kam es zu schweren Unruhen mit einigen Todesopfern. 

Schließlich jedoch fanden zwei friedliche und transparente Wahlgänge im Februar und März 2012 statt und Macky Sall, ein ehemaliger Premierminister der Ära Wade, wurde mit überwältigender Mehrheit in einer Stichwahl zum vierten Präsidenten des Senegal gewählt. Macky Sall wurde nach einem heftigen Wahlkampf bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 2019 unter nur fünf Kandidaten mit 58,26 % der Stimmen gleich in der ersten Wahlrunde wiedergewählt. Der zweitplatzierte ehemalige Ministerpräsident Idrissa Seck erhielt 20,51 %. Die Opposition erkannte das umstrittene Wahlergebnis nicht an.

Der Autor der Landesinfo vom Senegal ist Alexander Ohle. Er studierte Geographie, Politische Wissenschaft und Entwicklungssoziologie. Nachdem das Länderportal im Juli 2021 haben wir mit der GIZ die Fortführung auf unseren Tourismusseiten besprochen. Wir freuen uns über Anregungen und Bildmaterial.